Ein klares Ja für die Gesundheit im Unternehmen

Expertenrunde sieht Prävention als Erfolgsfaktor für Betriebe. Mehr als 30 Fehltage wegen Mobbing und Burnout

Aachen,

„Gesundheitsprävention muss eine nationale Aufgabe werden“, forderte die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) jetzt bei einem Forum des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) in Kooperation mit dem Luisenhospital. Rund 70 Unternehmer, Arbeitsrechtler, Betreiber von Gesundheits- und Schmerzzentren sowie Ärzte und Fachleute waren zu der Vortrags- und Diskussionsrunde gekommen, die AZ-Redakteur Robert Esser moderierte. Beantwortet wurde eine entscheidende Frage: „Gesundheitsprävention – Eine lohnende Investition für Unternehmen?“ hieß das Thema.

Ein klares „Ja“ dazu gab es von Ex-Gesundheitsministerin Schmidt. „Die Statistik verzeichnet eine hohe Zunahme von Burnout- und Mobbing-Fällen und damit verbunden einen drastischen Anstieg der Fehltage auf durchschnittlich 30,4 Tage in den letzten zehn Jahren“, rechnete die Bundestagsabgeordnete vor. Falle ein Top-Manager wegen Burnout aus, koste dies das Unternehmen rund 2,5 Jahresgehälter und eine Menge Kompetenz. Dabei sei Prävention weit mehr als bloße Rückenschule. „Wir müssen besonders an die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel denken. Zukünftig wird der Kampf um kluge und leistungsfähige Menschen sehr viel härter. Daher sollten Unternehmen dringend in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren“, forderte Schmidt mit Nachdruck. Eine gute Personalführung, die Ermittlung der Bedürfnisse von Beschäftigten und die Analyse der Erkrankungen seien die Basis für ein Gesundheitsmanagement im Unternehmen. In ein solches investiert hat der ehemalige Geschäftsführer der Aker Wirth GmbH, Christoph Kleuters, der auch Bundessenator und BWA Präsident des Int. Wirtschaftsclubs Aachen- Düren ist.

 

vorne v.r.: Peter Nußbaum, BWA; Dr. Frank Schifferdecker-Hoch, Geschäftsführer der FPZ DEUTSCHLAND DEN RÜCKEN STÄRKEN GmbH; Christoph Kleuters, Präsident IWC Aachen Düren; Ulla Schmidt Gesundheits-ministerin a.D.; Jürgen Engels, Regionaldirektor der AOK Rheinland in Aachen; Sibylle Nußbaum, Geschäftsführerin BWA-NRW; Marco Plum, Verwaltungsleiter Ev. Krankenhausverein

Um die Unfallzahlen in dem international agierenden Unternehmen, das auf Erdölförderung, Tunnelbau und Mineralienabbau spezialisiert ist, auf null zu senken, führte er eine Stopp-Karte ein: „Damit können Mitarbeiter weltweit gegenüber ihren Vorgesetzten anzeigen, dass sie sich gesundheitlich nicht gesichert fühlen“, erklärte Kleuters. Zwischen 2009 und 2011 sei auf diese Weise die Zahl der Unfälle um 90 Prozent gesunken. Aus der Unfallprävention habe sich mittlerweile die Gesundheitsvorsorge im Unternehmensleitbild entwickelt.

„Wir lassen derzeit einen Gesundheitsbericht und geeignete Maßnahmen zur Prävention erstellen“, führt Kleuters aus. Ein Gesundheitstag im März, an dem Krankenkassen und Sportzentren die Mitarbeiter über Möglichkeiten informieren, gehört zu den konkreten Maßnahmen im Unternehmen.

Dass Gesundheitsförderung immer den Erfolg eines Unternehmens bestimmen wird, davon ist auch Jürgen Engels, Regionaldirektor der AOK Rheinland in Aachen, überzeugt. „Als Krankenkasse können wir für Unternehmen Daten der Versicherten analysieren und damit aufzeigen, wo es hakt“, bietet Engels an. Viele Maßnahmen für Betriebe würden zudem von den Krankenkassen mitfinanziert.

Wo es hakt, weiß Marco Plum, Verwaltungsleiter des Evangelischen Krankenhaus-vereins, ganz genau. „Die Kranken gesund zu machen, darf nicht zu Lasten der Mitarbeiter gehen“, fordert er. Deshalb fördere man mit rund 400 Kursen am Luisenhospital die Gesundheit der Mitarbeiter, denen auch Seelsorger zur Verfügung stünden.

Unternehmen brauchen gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter, so viel ist klar. Doch warum tun sich dann viele Unternehmen so schwer damit, ein Gesundheitsmanagement einzurichten? „Prävention ist kein Thema, das schnell Erfolg im Unternehmen bringt“, meint Dr. Frank Schifferdecker-Hoch, Geschäfts-führer des der FPZ- Deutschland den Rücken stärken AG in Köln. Er kritisiert: „Die großen Volkskrankheiten wie Übergewicht und Essstörungen entstehen ja gar nicht am Arbeitsplatz.“ Kritik kam auch aus dem Publikum. Einige Unternehmer klagten darüber, dass Gesundheitsangebote eben nicht von jenen Mitarbeitern angenommen würden, die sie dringend bräuchten. Stattdessen machten schlanke und gesundheitsbewusste Mitarbeiter gerne davon Gebrauch – und der Präventionsaufwand laufe dann ins Leere.

Peter Nußbaum vom BWA erläuterte, dass es vielfältige Gründe gäbe, in die physische und psychische Gesundheit von Arbeitnehmern zu investieren. Neben zählbaren Faktoren, wie etwa Krankheitsausfällen oder sinkende Produktivität, bedeute Gesundheitsprävention auch die Verbesserung der Unternehmenskultur, deren Förderung ein vom BWA erklärtes und in der Satzung festgeschriebenes Ziel sei. Der BWA wird sich dieser Thematik verstärkt annehmen. In Kürze nimmt eine Kommission unter Leitung von Dr. Schifferdecker-Hoch zum Thema „Gesundheit“ ihre Arbeit im BWA auf.

„Bildung ist Voraussetzung für Gesundheit“, entgegnete darauf Ex-Gesundheitsministerin Schmidt. Sie forderte daher Gesetzgeber, Versicherungen und Unternehmen auf, an einem Präventionssystem mitzuarbeiten. Den Beschäftigten gab sie ein Voltaire-Zitat mit auf den Heimweg – nicht zum Nacheifern: „In der einen Hälfte des Lebens opfern wir die Gesundheit, um Geld zu erwerben, in der anderen opfern wir Geld, um die Gesundheit wieder zu erlangen.“

Von Birgit Broecheler