BWA fordert Reformen für echte Inklusion am Arbeitsmarkt: „Wir können es uns nicht leisten, Potenziale ungenutzt zu lassen.“

Berlin,

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Der Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) fordert eine grundlegende Überarbeitung der deutschen Regelungen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels und der gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung zu Teilhabe und Chancengerechtigkeit sieht der Verband akuten Handlungsbedarf. „In Zeiten von Fachkräftemangel und wachsendem internationalen Wettbewerbsdruck können wir es uns schlicht nicht leisten, gut ausgebildete Menschen außen vor zu lassen - schon gar nicht aus strukturellen Gründen“, betont Michael Schumann, Vorsitzender des Vorstands des BWA. „Teilhabe ist keine Sozialromantik, sondern eine zentrale Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.

Paradoxe Wirkung der Ausgleichsabgabe: „Ein System, das vom Nicht-Einstellen lebt“

Der BWA kritisiert die strukturellen Fehlanreize der derzeitigen Ausgleichsabgabe. Unternehmen, die die gesetzliche Beschäftigungsquote nicht erfüllen, zahlen eine Abgabe - deren Einnahmen jedoch sinken, sobald mehr Menschen mit Behinderung eingestellt werden. „Dieses System schafft einen politischen Zielkonflikt“, so Schumann. Je erfolgreicher Inklusion gelingt, desto weniger Mittel stehen paradoxerweise für Inklusion zur Verfügung. Ein Finanzierungssystem, das vom Nicht-Einstellen lebt, kann keine verlässliche Grundlage für nachhaltige Beschäftigung und Integration sein.“

Vermögensgrenze bei Assistenz: Arbeitsmotivation wird systematisch gebremst

Besonders kritisiert der BWA die Vermögensgrenze von rund 67.000 Euro für Menschen, die Assistenz benötigen. Wer Assistenzleistungen erhält, darf kaum Vermögenbilden - selbst dann nicht, wenn er oder sie qualifiziert ist und ein gut bezahltes Beschäftigungsverhältnis anstrebt. „Diese Regelung ist nicht nur innovationsfeindlich, sondern auch zutiefst demotivierend“, erklärt Schumann. „Sie verhindert, dass Menschen mit Behinderungen durch ihre Arbeit finanziell vorankommen können. Leistung und Engagement werden faktisch bestraft - das läuft jedem modernen Bild von Arbeitswelt und Eigenverantwortung zuwider.“

Frauen mit Behinderungen:

Doppelte Benachteiligung, unsichtbare Potenziale Besonders kritisch sieht der BWA die Lage von Frauen mit Behinderungen einer Gruppe, die im Arbeitsmarkt nahezu unsichtbar bleibt. „Frauen sind in vielen Branchen noch immer unterrepräsentiert. Frauen mit Behinderungen fallen darüber hinaus durch nahezu jedes Raster“, so Schumann. „Es fehlen gezielte Netzwerke, Mentoring-Programme und sichtbare Vorbilder, insbesondere in Führungspositionen. Damit verschenken wir ein enormes Potenzial an Kompetenz und Führungskraft - zum Nachteil von Wirtschaft und Gesellschaft.“

Teilhabe als Standortfaktor

Der Verband unterstreicht, dass Deutschland in Zeiten von Arbeitskräftemangel und zunehmender internationaler Konkurrenz keine gut ausgebildeten Talente verlieren darf. „Teilhabe und Inklusion sind nicht nur sozialpolitische Kategorien“, fasst Schumann zusammen. „Sie sind ein wesentlicher Baustein für Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräftesicherung und wirtschaftliche Innovationskraft. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hier die Strukturen so zu ändern, dass Engagement und Leistung sich für alle lohnen.“ Der BWA kündigt an, das Thema im Rahmen seiner Expertengremien, politischen Gespräche und Netzwerke verstärkt voranzutreiben und konkrete Vorschläge für eine Reform der bestehenden Regelungen vorzulegen.